Predigt für den 30. Januar 2022

 

Michelangelo in Florenz: Moses kommt mit Hörnern vom Berg Sinai herunter, so steht es ja in der Bibel…😊

 

Michelangelo war ein frommer Mensch. Er glaubte an das, was in der Bibel steht. Er war „nur“ einem Übersetzungsfehler aufgelaufen, denn in seiner Bibel stand: „Und Mose kehrte vom Berge Sinai wieder zurück mit Hörnern im Gesicht.“

Dabei hatte nur ein Mönch, der im Kloster eine Bibel abschrieb, wahrscheinlich schlechtes oder zu wenig Licht gehabt und statt lateinisch „corona (Kranz; Strahlen)“ den anderen Begriff „cornu (Horn)“ geschrieben, und schon war aus dem strahlend glänzenden Gesicht des Mose ein Moses mit Hörnern geworden. Und jetzt zur Ansprache heute aus dem 2. Buch Mose, Kapitel 34, Verse 29 – 35.

 

„…da strahlte er über alle vier Backen“, sagen wir über jemand, der gerade einen sehr glücklichen Eindruck gemacht hatte. Manchmal sieht man den Leuten ihr Glück förmlich an. Aber eben nur manchmal.

 

Bevor alles losging mit Mose und der Flucht aus Ägypten, da passte Mose am Berg Sinai auf die Schafe seines Schwiegervaters auf. Da begegneten sich Gott und Mose zum ersten Mal. Das war die Geschichte, als Gott aus dem brennenden Dornbusch zu Mose sprach und der Busch dabei nicht verbrannte. „Mit wem habe ich es denn hier zu tun?“, wollte Moses wissen, und Gott hielt ihn damit hin: „Ich bin der, der ich für dich sein werde.“

So genau wollte Moses das bestimmt nicht wissen, denn im Grunde wusste er mit diesem Satz nicht viel mehr als vorher.

Ein paar Jahre später wollte Moses Gott ins Gesicht sehen. Da sagte Gott zu ihm: Du kannst mir nicht ins Gesicht sehen und gleichzeitig am Leben bleiben!“ Dann trickste Gott mit dem Felsspalt: „Da stell ich dich rein und halte meine Hand über dich. Wenn ich meine Hand dann wegziehe, kannst du hinter mir herschauen.“

Dann kam die Variante mit dem Zelt. Da passierts Moses nichts. Jedenfalls überlebte er das. Nur sein Gesicht strahlte dermaßen, dass alle anderen vor ihm Angst bekamen. Wer schon einmal in die Flamme eines Schweißgeräts oder in die helle Sonne oder in die Sonnenfinsternis geschaut hat, weiß, wie das wehtut und dass man davon einen schweren Augenschaden bekommen kann.

Was war im Zelt passiert? Zwischen Gott und Moses?

Mose strahlt über alle vier Backen hinaus, weil Gott gnädig war, und Mose hat selbst nicht gemerkt, wie froh er darüber war und dass man es ihm richtig ansah, seine ganze Freude – und damit konnten die Anderen nicht umgehen: Sie hatten doch immer und immer wieder so viel Mist verzapft und sich eigentlich nie an die Regeln gehalten und deswegen hatten sie sich schon gefürchtet, wenn Moses wieder aus dem Zelt kommt und sie bis aufs Blut beschimpft, und ihn dann sooo strahlend, freudig, erleichtert rauskommen sehen, das hatte sie noch mehr verunsichert, weil sie den Moses ( und damit auch Gott) überhaupt nicht mehr einschätzen konnten, nicht mehr einschätzen, kapieren, dankbar sein, dass einer so viel Vergebung für Menschen übrig hat, die sooo viel Mist verbockt haben.

Beschimpfen und in Schutz nehmen. Wann werden die endlich mal erwachsen?

Der Mensch ist einfach beschränkt. Deswegen kann er Gott einfach nicht ins Gesicht schauen.

 

Aber wenn Menschen sich menschlich begegnen, glänzt Gott. Gottes Wort leuchtet durch die Menschen, die ihm ein Gesicht geben. Uns allen fallen solche Leute ein, denn sie leben mit uns, bei uns, neben uns.

 

Der Herr segne dich und behüte dich.

Der Herr möge sein Gesicht auf deins legen und Mitleid mit dir haben.

Der Herr möge sein Angesicht über dich halten und dir seinen Frieden geben.

Amen.