Predigt für den 20. März 2022

Martin Niemöller „Vom U – Boot zur Kanzel“

 

Martin Niemöller kam 1892 auf die Welt. Sein Vater war reformierter Pfarrer. Die „Reformierten“ waren in der Regel weniger fügsame Untertanen als die „Lutherischen“, die meistens konservativer waren. Niemöllers Vater war ein „Kaisertreuer“. Als Wilhelm II in Jerusalem die Kaiser Wilhelm Gedächtniskirche einweihte ( um also auch in Israel eine „deutsche Marke“ zu setzen), sagte Wilhelm: Die protestantische Kirche werde niemals von den Pforten der Hölle verschlungen, solange sie unbeirrt an den Lehren des Evangeliums festhalte. Protestantischer Glaube und deutscher Nationalismus ging bei Niemöllers Hand in Hand. Thron und Altar gehören zusammen ( siehe die Kaiserloge in der Erlöserkirche Bad Homburg)

Für Martin war klar: Ein guter Christ ist auch ein guter Staatsbürger, und ein guter Christ ist auch ein guter Soldat. Der Staat ist der notwendige verlängerte Regierungsarm Gottes, eine Notlösung, der man sich unterstellt: Jedermann sei der Obrigkeit untertan (Römerbrief 13).

Der Erste Weltkrieg bahnte sich an und Martin Niemöller machte seine Karriere als Kommandant auf einem U-Boot.

Nachdem die Deutschen den Ersten Weltkrieg verloren hatten, forderten die englischen Siegermächte Deutschland auf, alle noch intakten Schlachtschiffe, U-Boote, Kreuzer, alles in die Bucht von Scapa Flow im Norden von England zu bringen. 170 Schiffe in vier Reihen, ein 7 Meilen langer Zug setzte sich in Bewegung. Martin Niemöller sollte einige U-Boote dorthin steuern, aber er reichte satt dessen  seine Pensionierung ein, mit nicht einmal 31 Jahren! . Seine Form der Weigerung).

Was für ein Dickkopf. Aber diese demütigende Kapitulationszeremonie konnte er nicht ertragen. Die Deutschen rächten sich an den Engländern und versenkten ihre gesamte Kriegsflotte selbst. Letzte Rache. Die Schiffe liegen seit dem 18.Juni 1919 bis auf heute dort auf Grund der Bucht von Scapa Flow:.: 400.000 Tonnen Schiffsraum im Wert von 70 Millionen Pfund

 

Niemöller hatte jetzt schon eine Familie, aber kein Geld. Er fing als Gleisbauarbeiter bei der Deutschen Reichsbahn an, schon bald merkten seine Vorarbeiter, dass der mehr hat und kann als nur mit Muskeln. Hier lernte er das Leben und die Not der Arbeiter richtig kennen, denn er war ja in derselben Not wie sie.

 

Dann kam die Inflation

 

Alles in allem: eine große Demütigung.

 

Trauergesang:   Allzeit bereit mit unserm Blut, für deutsche Ehre, für deutsches Gut.

 

Ja, der Nationalismus der Männer war zu einem nicht geringen Teil die Reaktion eines verletzten Selbstwertgefühls auf die deutsche Niederlage.

 

1920 Kapp-Putsch: einer der ersten Versuche der Rechten, das republikanische Regime zu stürzen.

Niemöller und sein Bruder traten einem akademischen Schutzkorps bei, der dem kommunistischen Vordringen Widerstand leisten wollte.

 

... Niemöller studierte Theologie und wurde Pfarrer. Und er hatte, wie eigentlich alle unter dieser Kriegsniederlage, dieser Demütigung Deutschlands, heftig zu leiden.

 

Deutschland war nicht von der Weimarer Republik zu retten. Zur gleichen Zeit (1923) trat Hitler ans Licht. Trotz Putschversuchs in München einigen Toten, Verbot der NSDAP und Verhaftung Hitlers hatte Hitler längst auf sich aufmerksam gemacht:

Und die alte Tradition, daß Kirche und Staat wieder, wie zu Kaisers Zeiten, zusammenfinden sahen sie mit Hitler als Plus an. (S.58)

Hitler schreibt sein Buch „Mein Kampf“. Und Martin Niemöller predigte:

„Wann wird er kommen? Unser Suchen und Wollen, unser Rufen und Streben bringen ihn uns nicht. Wenn er kommt, wird er als ein Geschenk, eine Offenbarung Gottes kommen. Unser Ruf nach einem Führer ist ein Schrei um Mitleid ( Rundfunkansprache Niemöllers  im Herbst 1931( S. 59) Niemöller schreibt einen Ergebenheitsbrief an Hitler.

 

S.63: Idee von einer arischen Religion, eine Mischung aus deutschem Nationalismus und Christentum und man sah in der Linie Jesus-Luther-Hitler eine neue Hoffnung aus allem Leid heraus ( Händchen halten, Köpfchen senken und an Adolf Hitler denken, der uns gibt das täglich Brot, und uns führt aus aller Not…)

 

Herbst 1931 mit der Durchsetzung des Arierparagraphen und es Maulkorberlasses wendet sich Niemöller und wird zum Kritiker Hitlers: Die germanische Rasse und das nordische Blut sind zu Werkzeugen einer göttlichen Mission auserkoren. Auf keinen Fall darf deutsches Blut mit jüdischem oder irgendeiner anderen minderwertigen Rasse sich vermischen. (O-Ton Hitler) (S. 61) Darauf gründete Niemöller den „Pfarrernotbund“, das waren alles Gegner der NSDAP und der von den Nazis aufgebauten Deutschen Christen, der Nazikirche.

Im Oktober 1933 tritt Hitler aus dem Völkerbund aus. In Bad Homburg gab es in dieser Zeit nur einen Pfarrer, der der Bekennenden Kirche angehörte. Alle anderen hielten zu den „Deutschen Christen“, die sich den Nazis unterordneten.

Gerade, als Niemöller den Anfang für die BK gelegt hatte und den Saal durch einen Hintereingang verließ, kamen die Männer in den langen , dunklen Mänteln und steckten ihn in ein großes, dunkles Auto. So wurde Niemöller Hitlers „persönlicher Gefangener“ und wurde von der Gestapo ins KZ Oranienburg gebracht. In der Haft bekam er Depressionen und meldete sich zum Kriegsbeginn 1939als Freiwilliger zum U – Boot Kommandant, wurde aber ins KZ nach Dachau verlegt, „damit der katholisch wird“, so dachte Hitler, könnte er den Niemöller und die Evangelische Kirche in Deutschland loswerden.

vom Ausbruch des 2. Weltkriegs bis zum Ende 1945 war Niemöller „Persönlicher Gefangener“ von Adolf Hitler. Er war die ganze Zeit im KZ Sachsenhausen, Dachau)

 

Als 1938 die jüdischen Synagogen brannten, betet im Berliner Dom der Propst Lichtenberg für die Juden und de Christen, die keinen vollständigen arischen Nachweis erbringen konnten.

Er wurde der „volksfeindlichen Hetze“ angeklagt.

Als in einem Dorf im Westerwald eine Schar von Nazis anfangen wollten zu randalieren, hatte sie der Dorfbürgermeister soo angeschrienen, dass sie ganz verdutzt wieder gegangen sind. Als sein Töchterchen, damals gerade mal 8 Jahre, am Abend die Eltern und Freunde in der Küche reden hörte, sagten sie zum Bürgermeister:  „Pass auf, dass du net auch fortkommst!“

Das Töchterchen konnte nicht wissen, worüber die Großen gesprochen hatten.

Auf der Schwäbischen Alb predigte ein Pfarrer am Buß-und Bettag 1938: „Wo ist der Mann, der im Namen Gottes und der Gerechtigkeit ruft? Sie sind entweder im Konzentrationslager oder mundtot gemacht. Und viele andere sind Lügenprediger wie die nationalen Schwärmer damals und können nur „ heil“ und „ Sieg „ rufen, aber nicht des Herren Wort verkündigen. Wir haben die Quittung bekommen auf den großen Abfall von Gott, auf das organisierte Antichristentum: Gotteshäuser, die anderen heilig waren, sind ungestraft niedergebrannt, das Eigentum der Fremden beraubt oder zerstört.

Wenige Tage danach wurde der Pfarrer von der SA als „Judenknecht“ festgenommen. Aber vorher wurde er vor seinem Pfarrhaus von den Leuten aus dem Dorf fast totgeprügelt. Bürger, die ihm helfen wollten, wurden genauso geschlagen und getreten.

 

Pfarrer Helmut Gollwitzer unterstützte mit einigen Gemeindegliedern Angehörige von Juden, die verhaftet worden waren. Jeder, der so etwas tat, riskierte sein eigenes Leben.

Oskar Schindler ging seinen Weg, um möglichst viele Juden vor dem Tod zu retten.

 

Der ganze Naziapparat war so unglaublich mächtig, mit den vielen Spitzeln, den auffälligen und den vielen, von denen man es nie gedacht hätte. (Ein Spitzel auf 300 Bürger?)

 

Um 1933 bauten die Nazis drei nationalsozialistische Ordensburgen, dagegen war König Ludwigs Neuschwanstein eine Kleinigkeit. Sonthofen, Vogelsang in der Eifel.

In diesen Ordensburgen sollten junge Männer, in ritterlicher Manier, im Geist der Nazis zu Führungsfunktionären der NSDAP ausgebildet werden. Die Fortbildungen gingen von 1933 bis 1939. Sie wurden abgebrochen, weil es auffiel, das die meisten der jungen Männer viel zu blöd waren, um das zu schaffen, weil sie zum größten Teil überhaupt nicht denken konnten und alles, was damit verbunden war, natürlich gar nicht ging.

Aber wie mussten sich diese besonders auserwählten jungen Männer damals gefühlt haben, wenn sie selbst für einen Theaterbesuch einen feinen Frack gestellt bekamen, für die Parade super Stiefel, wo sie ein paar Wochen vorher, als sie noch daheim wohnten, im Winter noch barfuß durch den Dreck laufen mussten, von frischen Unterhosen ganz zu schweigen.

Freibier in der Ordensburgschänke und bestes Essen, Nachschlag ohne Ende, wo es vorher in ihrem Leben nichts anderes gab als Hunger, keine Schulbildung und diese Demütigung ihrer Väter, weil sie den 1. Weltkrieg verloren hatten.

Viele von diesen Männern wurden dann als Vollstreckungsbeamte und Wachmänner in den Konzentrationslagern eingesetzt. Dazu hats gereicht. Viele von diesen Männern waren schlimmer als Tiere.

Dietrich Bonhoeffer schrieb einen Text: Von der Dummheit. Er erscheint auf der Rückseite unseres Osterlichtblicks. Für die Dummen war der Text natürlich zu schwierig zu verstehen.

 

Nach 1945 wird Niemöller der erste Kirchenpräsident der EKHN. Er lehnte es ab Bischof zu werden und er lehnte auch das Amtskreuz des Bischofs ab.

Seit dieser Zeit gibt es in der Hessischen Kirche keinen einzelnen Kirchenbischof mehr.

Denn der war vor dem Krieg zu den Nazis umgeschwenkt. Damit kein einzelner „Oberbischof“ mehr einknicken kann, hatte Martin Niemöller praktisch sieben Pröpste (Vorsteher)Bischöfe eingesetzt und er war der achte, alle mussten alle Entscheidungen diskutieren, keine konnte mehr einen Alleingang machen.

In den 80er Jahren sollte Martin Niemöller in Frankfurt einen Orden bekommen.

Viele Leute kamen, Niemöller kam nicht. Er wollte keinen Rummel um seine Person haben.

Niemöller war gegen Adenauer und Strauß: „Die Soldaten werden alle zu Mördern ausgebildet.“. Mit Albert Schweitzer protestierte er in den 60er Jahren gegen die atomare Aufrüstung in Deutschland.

Sein Leben lang begleitete ihn die eine Frage: Was würde Jesus dazu sagen?

 

Martin Niemöller, ein Mensch, der seine politische Einstellung völlig verändert hat.