Predigt für Sonntag, 22. März 2020

Den Sonntagsgottesdienst um 10:00 Uhr können wir nicht anbieten. Dafür habe ich ein paar Gedanken zum Predigttext für den Sonntag

Laetare ( „Freut euch!“) aufgeschrieben.

 Jesaja 66, 10 - 14

10 Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über die Stadt, alle, die ihr sie lieb habt! Freuet euch mit ihr, alle, die ihr über sie traurig gewesen seid.

11 Denn nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten ihres Trostes; denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an ihrer vollen Mutterbrust.

12 Denn so spricht der HERR: Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom und den Reichtum der Völker wie einen überströmenden Bach. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen.

13 Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet; ja, ihr sollt an Jerusalem getröstet werden.

14 Ihr werdet's sehen und euer Herz wird sich freuen, und euer Gebein soll grünen wie Gras. Dann wird man erkennen die Hand des HERRN an seinen Knechten und den Zorn an seinen Feinden.

Wir wissen, dass viele Menschen den patriarchalischen Ton im Alten Testament beklagen.

Dieser Text soll nicht als Beweis zur Weiblichkeit Gottes gebraucht werden. Sagen wir lieber: Gott verhält sich wie eine Mutter. Es heißt nicht: Gott ist eine Mutter oder eine Frau. Sicher, das sind ungewöhnliche Beschreibungen. Und gerade sie sollen helfen, festgelegte Gottesbilder zu sprengen.

Denn Gott ist genauso wenig ein Mann oder ein Vater. Er verhält sich wie ein guter Vater. Wenn von Gott wie von einer Mutter gesprochen wird, soll das uns helfen, mit unserer Vorstellung über Gott freier, erwachsener und mündiger zu denken. Die meisten Küken stehen von Anfang an auf eigenen Füßen. Da gibt es keine Milch mehr von der Mama.

Die Vogelmutter entlässt ihre Kinder von Anfang an in die Freiheit. Bevormundung kennt sie nicht, die Vogelmutter. Aber wehe, wenn die Krähen oder Elstern kommen, dann wird die Glucke zum Tier. Da schlägt sie zu und hält den Schnabelhieben stand, bis sie selbst Federn lässt.

Außerdem wissen wir ja, wie gut es für Kinder ist, wenn sie Vater und Mutter haben oder Menschen, die sich wie ein guter Vater und wie eine gute Mutter verhalten.

Dieses schöne Bild steht hier natürlich nicht isoliert. Es ist hineingestellt in einen ganz großen Trost, der gegen Ende einer ganz bösen Zeit eintreffen soll, ungefähr 2500 Jahre vor uns:

Die Israeliten, die noch in der Gefangenschaft imPersischen Großreich gehalten sind, sollen wieder nach Israel zurückkehren. Die Stadt Jerusalem wird dabei zum Urbild der Freude und des neuen Lebens.

Einige von uns kennen noch einen anderen Zusammenhang, auf den wir gerade heute bei dem Wort "Gefangenschaft" stoßen: Im Moment der Coronakrise laden, als Zeichen der Zuwendung, viele Kirchengemeinden dazu ein, um 19.30 Uhr eine Kerze ins Fenster zu stellen. Für alle, die sich fürchten, die verunsichert sind, die einsam oder krank sind.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hatten viele Familien auch Kerzen abends in die Fenster gestellt. So lange, bis die letzten Rußlandheimkehrer aus der Gefangenschaft zurück waren.

Lothar Berger