Predigt für den 5. Juli 2020

Reihe II           12.7.2020        Römer 12, 9 – 21
Mein ist die Rache, spricht der Herr
 
Erinnern Sie sich? Wenn Sie vor ungefähr 25 mit dem Auto auf der Autobahn durch Thüringen oder durch Sachsen gefahren sind, da hat man,
mitten in der Landschaft, weeeit weg von der Autobahn
immer wieder große Brücken gesehen,
aber weit und breit keine Straßen angeschlossen.
 
Dann sagten wir: Was ist denn das für eine Fehlplanung? Das kann doch so nie gebraucht werden! Ohne Hirn geplant, das passt doch nie zusammen!
 
Die Straßen und die Brücken sind das Eine. Heute morgen geht es aber nicht um scheinbare sinnlose Autobahnbrücken.
Es geht um unsere Wege.
 
Unser Leben wird oft mit Wegen verglichen.
 
Dazu lese ich aus dem Brief des Apostels Paulus an die christliche Gemeinde in
 
Rom und Rodheim:
Erst Römer 12, 9 – 16
So, das war erst mal die Vorspeise. Jetzt kommt der Hauptgang:
Römer 12, 17 - 21
 
Vergeltung spielt in unseren Beziehungen
eine große Rolle.
 
Vergeltung ist kein moralischer Defekt,
sondern ein Weg, damit man nicht aus der Rolle des Beleidigten oder des Verletzten herausfällt.
 
Wer will schon sein Gesicht verlieren?
Spätestens im Kindergarten hat es jedes Kind begriffen:
Ich muss mich wehren!
Die anderen zwingen mich dazu!
Ich lass mich doch nicht plattmachen!
OK, ein paar Ausnahmen gibt es.
Das geht. Da kann man schon mal drüber nachdenken.
„Mach dir keine Feinde.
Halt dich nicht immer selbst für den Schlauesten.
Gib mal nach und denk an die anderen.“
Nicht gleich fürs ganze Jahr.
Fang erst mal mit einer Woche im Jahr an.
 
Alles Vorschläge für unseren „Lebens-Weg“.
Wo stehen wir auf diesem Weg?
 
Mit Vorschlägen, die 2000 Jahre alt sind?
Bei dem Bild von den Brücke fallen mir Bilder von 2000 Jahre alten Brücken ein, die
noch voll intakt sind,
oder von denen nur noch ein paar Pfeiler oder ein paar Bögen stehen, ohne weiteren Anschluss, wie neben den Autobahnen in Thüringen vor 25 Jahren. Oder Bilder von neuen Brücken.
Und dann denke ich:
Manches, was im Leben geglückt hat, geht irgendwann nicht mehr,
manches, was man vorhat, ist noch nicht so weit.
Manchmal ging einem der Zugang verloren,
manchmal findet man ihn nicht.
Manchmal ist alles in Ordnung und geht.
 
Ganz schwierig ist es, einen Zugang zu finden,
wie man
aus dem Zwang zum Vergelten herauskommt.
Also wie man wieder eine Brücke zu dem „bauen“ kann,
 der einem eigentlich alles vermiest hat,
zerstört,
Das Tolle hierbei ist:
Paulus hat vor 200 Jahren die Vergeltung nicht abgeschafft. Paulus überträgt die Rache nur
auf Gott.
Und wenn das so für uns in Ordnung ist,
dann brauchen wir uns keine Gedanken mehr darüber zu machen, wie wir es dem heimzahlen, der uns was weiß ich was alles angetan, beleidigt, belogen…
das eröffnet uns eine ganz neue Freiheit. Ich muss nur bereit sein, es  Gott zu überlassen: Ja!
Du zahlst die Rechnung.
 
Paulus und Martin Luther hatten genauso begriffen, dass die Menschen damit ganz große Schwierigkeiten haben, wer diese Rechnung zahlt. Deshalb haben sie die Richter und die Gerichte und die Polizei als Provisorium verstanden,
nur damit die Gott helfen und damit wir einzelne Leute uns nicht doch
privat rächen.
 
„Mein ist die Rache“, spricht der Herr. „Ich will vergelten. Wenn du das schaffst, wenn du das zulässt, wirst du feurige Kohlen auf dem Kopf des anderen ansammeln!“
 
Ein tolles Bild, nicht gerade behaglich.
Es bedeutet nur: Wenn du aus dem Zwang, den die Gesellschaft zulässt und Rqache übst,
wenn du da aussteigst,
dann wirst du den anderen ganz schön dazu bringen, dass er sich über sich schämt
und über das, was er Dir angetan hat.
 
Eigentlich mag ich keine Sätze,
die mit
Wenn du“ anfangen und mit
“dann wirst du“
weitergehen.
Weil mir niemand garantieren wird, ob das gelingt.
Wenn ich aber nichts anderes versuche und mein Leben in der Rolle des Beleidigten weiterlebe, dann ist und bleibt mein Leben eine lebenslange Beleidigung.
 
Der Gedanke an Vergeltung oder Rache lässt uns nie los.
 
In den beiden extremen Worten
 
Vergeltung und Vergebung gibt es drei verschiedene Buchstaben. Wenn man zwei von den drei Buchstaben weglässt und nur einen von ihnen auf den Weg gibt,
werden die beiden Worte eins.
Mit der Vergebung ist es wie mit einer Brücke:
Wir konnten darüber gehen.
 
Wir konnten nicht darübergehen, weil sie abgebrochen war.
Viele sind abgebrochen,
oder sind wieder im Bau  und warten darauf, dass wir sie nutzen.
 
Die Melodie erinnert uns eher an den Tatort heute Abend, aber der Text ist ganz gut.
 
 
Herr, gib mir Mut zum Brücken bauen…