Predigt für den 4. Advent

 
2020 4. Advent
 
„Da ist mir schon wieder einer zuvorgekommen“, ärgere ich mich, weil ich, brav wie ich bin, mit gutem Abstand an der Kasse gewartet habe und ein anderer ging einfach an mir vorbei und zahlte seine Sachen. Oder er einfach schneller in der Parklücke, obwohl ich näher an der Parklücke stand.
Das kann mich wütend machen.
Zur Bedrohung kann es werden, wenn mir jemand bei meiner neuen Bewerbung zuvorgekommen ist.
 
Immer wieder sage ich mir: Ich muss anderen auch voraus sein! Das kostet Kraft, aber Langsamkeit wird halt im Leben bestraft und wer schnell ist, macht das Rennen.
 
Man kann anderen etwas voraushaben und sich damit gegenseitig entlasten. Genauso kann man es als Waffe einsetzen, also den anderen vorauslaufen und sie im Stich lassen. Man kann mit den eigenen Gaben glänzen und die anderen in den Schatten stellen.
 
Ich lesen aus einem Adventslied, nur mit etwas anderen Worten:
Bevor ich auf der Welt war, warst Du schon für mich auf der Welt.
Bevor ich dich überhaupt kannte, hast Du mich schon für dich ausgesucht.
Bevor ich überhaupt da war, hast Du dir schon Gedanken darüber gemacht, wie ich zu dir gehören könnte.
 
Da denkt jemand darüber nach, bevor ich überhaupt etwas davon weiß, wie er mich für sich gewinnen kann!
 
Wie kommen wir uns vor, wenn sich andere um uns mühen, obwohl wir nicht immer von uns denken, dass wir spannend, schön und klug und interessant sind?
Wir können uns schon kaum mehr vorstellen, dass wir mit unseren Ecken und Kanten, unserer Sammlung von Fettnäpfchen, in die wir schon getreten sind, immer noch und immer wieder angenommen und geachtet werden.
 
Eh ich auf der Welt war, hast du mich schon im Visier gehabt. Das geht über unseren Verstand, was uns allerdings nur guttun kann, denn genau das brauchen wir: Dass wir Erfahrungen gegen alle menschliche Vernunft machen und dass uns Menschen zuvorkommen mit ihrer Zuwendung.
 
Wer alles immer nur aufrechnet, verletzt die Gute Nachricht von Weihnachten.
An Weihnachten kommt Gott uns zuvor, als Säugling, selbst angewiesen darauf, das wir ihm zuvorkommen, mit Geist und Verstand, also mit Sin, Herz, Seel und MUT.
 
Der Text von diesem Lied heißt: Ich steh an deiner Krippen hier“. Paul Gerhardt hatte ihn geschrieben,
als der Dreissigjährige Krieg die Welt in Angst und Schrecken versetzte.