Predigt für den 29. März 2020

 
 
Predigt           Hebräer 13, 11 – 14             Sonntag
 
Gnade sei mit euch und Friede von Gott,
unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus, amen.
 
Der Verfasser des Hebräerbriefes stellt immer wieder Vergleiche an: Er vergleicht, was im Alten Testament üblich war mit dem, wozu Jesus in der Welt war. Zwei solcher Bilder sind heute im Predigttext.
 
„Am Versöhnungstag bringt der Oberste Priester das Blut der Tiere ins Tempelheiligtum und opfert es, zur Beseitigung der Sünden; die Körper der Tiere aber werden außerhalb des Lagers verbrannt.
So ist auch Jesus außerhalb der Stadt gestorben, um durch sein Blut das Volk rein zu machen. Darum wollen wir zu ihm vor das Lager hinausgehen und die Schande mit ihm teilen.“
 
Wenn es heißt: „Da wird Blut fließen“, geht es in der Regel um Tod.
 
Zweimal kommt das Wort Blut in diesem Abschnitt vor.
Wie sonst meistens in der Bibel steht Blut als Zeichen für Leben. Es sollen hier also keine blutigen Bilder sein, sondern die Bilder sollen vom Leben erzählen.
 
Das erste Bild ist fast aus der Zeit der Vor- und Frühgeschichte, aber in der israelitischen Religion gehörte es dazu. Um die Menschen wieder miteinander zu versöhnen, opfert der Priester im Tempel Tiere. Einmal im Jahr, am Versöhnungstag. Die Menschen stehen dabei und schauen zu und feiern, während die Tiere sterben.
Das Blut der Tiere wird am Altar geopfert, denn das Blut gehört Gott, es ist Zeichen für das Leben.
 
Die Reste der geopferten Tiere werden vor die Tore der Stadt getragen. Dort werden sie verbrannt. Denn wer die toten Leiber berührt, würde sich unrein machen. Das stand so im Gesetz. Und wer unrein ist, kann nicht so ohne weiteres wieder hinein in die Stadt und an der Gemeinschaft und am Leben drinnen in der Stadt teilnehmen.
Wer mit dem Tod in Berührung kommt, fällt automatisch aus der Gemeinschaft der Lebenden heraus.
 
Das nächste Bild, das uns der Abschnitt zeigt, handelt von Jesus, wie er am Kreuz stirbt. Aber anders, als es uns vertraut ist: Jesus stirbt draußen und niemand ist dabei.
Ob die Menschen alle in der Stadt drin feiern? Klar!
Sie feiern Passa,
sie feiern und erinnern sich dabei daran,
dass der Tod in Ägypten an ihnen vorbeigegangen ist.
 
Alles ging gut, damals.
 
Das mit dem Versöhnungstag kennen wir, so ähnlich. Das war das mit dem „Sündenbock“. Die Leute nehmen einen Ziegenbock und der Priester drückt dem Bock voll auf die Hörner, das will sagen. Alles, was die Menschen „verbockt“ haben, übertragen sie damit auf den Bock und schicken ihn in die Prärie. Damit sind die Menschen, wenigstens symbolisch, alles, was sie verbockt haben, los. Das macht frei und läßt einen weitermachen.
Irgendwie wie eine Vorform dessen, was wir im Abendmahl erleben. Aber ohne Blut.
 
Wo Menschen leben, geschehen Dinge gleichzeitig.
Drinnen und draußen und draußen und drinnen.
 
Drinnen in der Stadt, da gibt es die vielfältigen Angebote, die Freizeit zu genießen, das Leben auszukosten.
Und draußen vor den Toren der Stadt:
Der Zentralfriedhof.
In den Kinos in der Stadt wird der Film nicht unterbrochen, wenn draußen auf dem Zentralfriedhof ein neues Grab ausgehoben wird.
 
Drinnen in der City sind Häuser für Kultur und Kunst, Theater, Oper, Museen, Konzertsäle-
Und draußen vor dem Tor, oder hinten im Wald:
Spezielle Häuser für psychisch kranke Menschen.
Wenn da ein neuer Kranker eingeliefert wird,
unterbricht die Führerin im Museum drinnen ihre Führung nicht.
 
Die Kirche – sie steht mitten in der Stadt, drin.
Sie ist ein ganz besonderer Raum:
Eine Stunde lang, kann hier drinnen jeder sicher sein, dass niemand etwas fordert.
Eine knappe Stunde herrscht hier Friede,
auch zwischen denen, die sich draußen nur schwer ertragen oder offen aufeinander losgehen ( jedenfalls wenn sie wieder für Gottesdienste offen sein wird).
 
Wenn die Ritter – im Mittelalter war das so – also wenn die Ritter damals in die Kirche gingen, haben sie ihre Helme in der Kirche abgenommen und ihre Schwerter haben sie neben der Tür angelehnt, die Ritzen sind zum Teil heute noch an den Kirchen zu erkennen. Das war eine Auszeit: ohne Krieg, ohne Streit.
 
Die Leute, die in die Kirche kommen,
die ins Kino gehen, ins Konzert, ins Museum,
sie haben eins auf jeden Fall gemeinsam: Sie sind nicht allein. Sie stehen nicht am Rand oder draußen.
Aber Jesus ist allein. Die anderen sind drinnen, wo es ihnen gut geht.
Jesus stirbt draußen, da, wo die Opfertiere sterben, deren einziger Sinn es war, für das Opfer der Versöhnung zu sterben.
 
Das ist eine ganz massive Abgrenzung gegen das Judentum.
Der Opferkult war mit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels im Jahr 70 nach Christus am Ende.
Nach jüdischem Denken könnte die Befolgung der Gesetze, Gebet, Buße und Nächstenliebe ein angemessener Ausgleich für das Opferritual sein.
 
Die Christen wollten sich davon distanzieren: Lasst uns rausgehen aus dem reinen „Fortsetzungsbetrieb“.
Dorthin, wo die Demütigungen und Entehrungen geschehen sind. Dort ist unser neuer Auftrag Wir sollen die Demütigungen und Entehrungen, die Jesus erlitten hat, auf uns nehmen.
 
Unser Leben ist endlich.
Danach wartet eine Zeit, ein Reich ohne Ende.
 
Darauf vertrauten die Christen.
 
 
Fürchtest du, daß der Tod kommt?
 
Oder fürchtest du, dass Gott nicht da ist, wenn der Tod kommt?
 
Die Furcht vor dem Tod bekommt die Antwort: Er kommt gewiß.
Die Furcht, daß Gott nicht da ist, wenn der Tod kommt, bekommt draußen vor dem Tor ein Bild gezeigt:
Da ist der sterbende Jesus, der sein Leben Gott zurückgibt. Und Gott ist da, wo die Gemeinschaft der Fröhlichen und Gesunden nicht mehr trägt.