Predigt für den 19. Juli 2020

Diese Woche gibt es die Predigt nur zum Lesen...
 
Ansprache „Erlassjahr“                     5.Mose5,12-14
Rodheim 2.7.2020
 
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus, amen.
 
"Achte auf den Sabbat: Halte ihn heilig, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat. Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem Herrn, deinem Gott geweiht. An ihm darfst du keine Arbeit tun: du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, dein Rind und dein Esel und dein ganzes Vieh und der Fremde, der in deiner Stadt wohnt. Dein Sklave und deine Sklavin sollen sich ausruhen wie du." (Dtn.5,12-14). - so heißt es in der zweiten Fassung der Zehn Gebote,
die das 5.Buch Mose uns überliefert. Erstaunlich,
wie hier das Sabbatgebot formuliert ist. Nicht nur dem religiösen Mensch, der in der Pflicht seines Gottes steht,
wird hier die Ruhe des Sabbattages geboten,
damit er seinen Gott ehren kann.
Nein, der Herr eines Hauses, das Oberhaupt eines bäuerlichen Betriebes,
in dem Familienangehörigen und Sklaven mitarbeiten, der über Menschen und Tiere gebieten kann,
einem Herren über andere also, wird geboten,
nicht die anderen für sich arbeiten zu lassen.
Die Sabbatruhe, die Feiertagsruhe, gilt für alle.
 
Wo der Sabbat so begangen wird, da darf jeder, der Einfluss hat, mal vergessen, dass er Einfluss hat.
Da wird darauf verzichtet, mit der Arbeitskraft der anderen, den eigenen Ertrag, das eigene Einkommen zu erhöhen.
Da wird an einem Tag der Woche auch darauf verzichtet, Anweisungen zu geben und Befehle zu erteilen.
Da wird an einem Tag der Woche der Unterschied zwischen denen, die oben stehen, und denen, die unten sind,
belanglos.
Und da wird an einem Tag der Woche darauf verzichtet,
aus der Natur das herauszuholen, was herauszuholen ist. Selbst die Tiere dürfen ja ausruhen.
Wer den Sabbat so begeht, dass er einmal nicht andere für sich arbeiten lässt,
der legt sich natürlich was auf. Der
setzt sich
Grenzen.
 
Warum hat sich das Volk Israel diese Grenzen gesetzt?
Was ist der Sinn dieser Einschränkung?
Der arbeitsfreie Tag - gerade auch für die Sklaven -
Soll nicht dazu sein, die Arbeitskraft zu erneuern,
damit man an den sechs anderen Tagen wieder mehr arbeiten kann. Es geht um mehr dabei.
Wo an einem Tag der Woche das Befehlen und Gehorchen, das Rackern und Schuften ausgesetzt wird,
da erinnert man sich daran: es noch etwas anderes als Arbeit. Der Sinn des Lebens besteht eben nicht nur in der Arbeit.
Der Sinn des Lebens besteht nicht darin, den Ertrag immer mehr zu steigern.
Der arbeitsfreie Tag, an dem wir auf Ertragssteigerung verzichten, erinnert daran, dass das Wachstum der Wirtschaft nicht der Zweck unseres Arbeiten und Lebens sein darf.
Wo an einem Tag der Woche der Unterschied zwischen oben und unten ausgesetzt wird,
wo darauf verzichtet wird, aus der Natur noch etwas mehr herauszuholen, da wird der Traum hochgehalten an eine Welt in der der Kampf und die Ausnutzung ein Ende hat.
Der Feiertag lässt eine Vorstellung von Schöpfung ans Licht, in der die Natur nicht nur noch Material ist,
durch das wir uns in unserer Freizeit durchschlagen,
Am Feiertag gilt auch Waffenstillstand gegenüber der Schöpfung.
Einzige Ausnahme: Wenn die Bauern die Ernte einbringen.
Der Feiertag wurde im Judentum immer auch als Vorgeschmack der endgültigen Erlösung, als Vorgeschmack auf die Zeit, in der der Messias kommt und das Paradies irgendwie wieder da ist.
 
Der Sabbat lässt etwas von diesem Frieden aufscheinen, jedenfalls für den gläubigen Juden.
 
Das ist ein Tag in der Woche,
also 52 Tage von 365 Tagen im Jahr.
Und es kommt noch toller: Im Alten Israel begangen sie nach jedem 49. Jahr ein Reset Jahr.  Da wurde die Reset Taste gedrückt und jeder, der sich verschuldet hatte oder der Land gepachtet hatte, wurde von der Pacht oder von den Schulden befreit, und wer sich als Sklave verkaufen musste, weil er nichts mehr hatte, kam da wieder heraus.
Und bei uns -
bricht alles zusammen, weil wir nicht mehr so viele neue Autos kaufen wie sonst.
 
Wenigstens mal aussteigen aus dem Hamsterrad des Arbeitens und Mühens,
auszusteigen aus dem ständigen Sorgen, was wird denn morgen wieder alles auf uns einstürzen,
endlich mal aussteigen aus dem Streben nach immer mehr,
um etwas Aufscheinen zu lassen von der ganz anderen Welt, in der es diese Sorge um den nächsten Tag nicht mehr gibt und wo das Streben nach immer Mehr aufgehört hat.
Und das nicht erst „dereinst“, wenn wir einmal auf der Wolke sitzen werden,
sondern hier,
mitten in unserem Leben.
Es ist doch am Leben vorbei,
wenn nur noch Standortfaktoren und Maschinenlaufzeiten zählen,
wenn das Wachstumsvoraussagen wie Prophetensprüche gehandelt werden,
 
wenn die Geschäfte auch sonntags die Macht der Kunden spüren müssen
wenn die Freizeit am Wochenende in Stress ausartet,
es wäre schlimm, wenn wir uns diese heilsame Selbstbegrenzung wegnehmen ließen.
Wir spüren es längst, dass wir ärmer werden
wenn wir selbst sonntags mehr einkaufen könnten.
Damals sind die Leute in Armut gefallen.
Wir machen sie uns selbst.
 
Gott bewahre uns vor dem, was wir alles können.
 
Und der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, amen.