Predigt für den 27. Juni 2021

ki2 Korinther 12, 5 – 10 Splitter im Finger  20. Juni 2021

Ein Splitter im Finger macht uns oft fix und fertig. Hätte ich bloß die Handschuhe angezogen! Dann müsste ich jetzt nicht mit der Pinzette - geht nicht mehr, Splitter mit der Pinzette abgebrochen, her mit der Nadel - aua, die Haut zusammenquetschen, eine dritte Hand müsste man jetzt haben, nein, ich will nicht, dass es sich entzündet, also: Weitermachen, bis der Schmerz nachlässt.

Zweimal ist in der Bibel vom Splitter die Rede: Einmal bei Jesus, als er die Pharisäer beschimpft: „Eher seht ihr das Fitzelchen Holz im Auge Eures Nächsten als das Brett vor Eurem eigenen Kopf!“

Und einmal bei Paulus. Dabei ging es mächtig rund, denn in der damals neu gegründeten christlichen Kirchengemeinde in Korinth hatten sich einige Männer aufgetan und von sich behauptet, sie seien die „echten“ Nachfolger von Jesus Christus.

Es machte den Paulus rasend, wie selbstherrlich die sich zur Schau stellten. Da holte Paulus zum Gegenschlag aus, obwohl es ihm dabei eigentlich zuwider war:

Wenn es ums Angeben geht und dabei um mich, dann kann ich nur mit meiner Schwäche angeben. Wenn ich mich allerdings tatsächlich loben wollte, würde ich mich damit nicht zum Narren machen. Denn ich würde einfach nur die Wahrheit sagen. Ich verzichte aber darauf. Denn man soll mich nicht nach dem beurteilen, was man direkt von mir sieht oder hört – ich bin zwar ins Paradies bis ins dritte Level gehoben worden – und das klingt schon wirklich außergewöhnlich. Aber damit ich mir nichts darauf einbilde, ließ Gott meinen Körper mit einem Stachel durchbohren. Ein Engel des Satans darf mich mit Fäusten schlagen, damit ich nicht überheblich werde. Dreimal habe ich deswegen zum Herrn gebetet, dass er den Stachel wegnimmt. Aber der Herr hat zu mir gesagt: „Du brauchst nicht mehr als meine Gnade. Denn meine Kraft kommt gerade in der Schwachheit voll zur Geltung.“

                                               2. Korintherbrief 12, 5 - 10

Ob Paulus Nierenkoliken hatte oder Epilepsie, nichts ist bekannt. Auf jeden Fall wollte Paulus nicht mit dem prahlen, also angeben, was für ein toller Hecht er ist. Ich stand einmal in einem Vertretungsgottesdienst vor einer Treppe, die zur Kanzel hochgeht, da war ein Bilderrahmen, aber es war kein Bild drin, sondern es stand dort ein Spruch: „ ER muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“

Natürlich dachte ich erst, was soll denn das? Aber es wurde mir dann schon klar: „Pfarrer, wenn Du auf die Kanzel gehst,  dann geht es nicht um Dich, sondern um das, was Du sagst und wie Du es sagst. Du bist nicht mehr als ein Lautsprecher, ein Verteiler von Informationen, gut, bestimmt etwas kreativer als ein elektrisches Teil, aber wenn ich Dich piekse, bist du nicht mehr der, der Du eigentlich sein willst: Kein gesunder Paulus, kein vollmundiger Prediger.“

Und was denkt der, der gerade mit der Predigt anfangen will? „Wie soll ich denn vollmächtig das Evangelium verkünden, wenn Du mir gleichzeitig das Leben so schwermachst?“

„Du musst nicht immer stark sein. Du musst keinen Glauben haben, der ohne Zweifel ist. Du musst dich nicht in jeder Hinsicht optimieren. Irgendwas ist immer. Angeber kann Gott nicht brauchen. Perfekte Menschen auch nicht, weil es die nicht gibt. Also versuche auch nicht so einer zu sein. Das bringt nur Krampf. Und das hast du nicht nötig.

Brief an Gott

Herr, mein Gott, mein Vater im Himmel,

wie schön, dass du mich siehst.

Du kennst mich. Du siehst mich, wenn ich Angst habe,

du siehst mich, wenn ich mich verstecke und nicht zugebe, was ich getan habe. Du siehst mich, wenn ich allein bin und von großen Dingen träume.

Wie in zwei großen Händen hältst du mich. und manchmal scheint mir, ich sei darin gefangen wie ein Vogel im Käfig.

Herr, manchmal ist mir unheimlich vor deiner großen Hand, in der ich gefangen bin, und ich möchte ihr gerne entrinnen. Ich denke über die große Welt nach, über die künstlichen Monde, die die Menschen machen, über die Raumschiffe, die in den Weltraum hinausjagen, und denke mir, dass wir Menschen dich eigentlich nicht mehr nötig haben.

Aber während ich das denke, bist du um mich und ich bin in deinen beiden großen Händen. Ich denke manchmal auch, es habe eigentlich gar keinen Sinn, dass es mich gibt .Dann habe ich dieses Leben satt und würde es gerne wegwerfen, denn ich habe es mir nicht selber ausgesucht. Aber ich weiß: Wenn ich mein Leben wegwerfe und zu den Toten komme, dann begegne ich dort doch wieder dir und ich bin wieder in deinen Händen gefangen und bin weder meinen Aufgaben noch dir entflohen.

Manchmal träume ich vom großen Leben. Ich träume davon, reich oder schön oder mächtig zu sein, so dass mich die Menschen sehen und bewundern und von mir reden. Nicht nur die in meiner Straße, sondern alle, alle Menschen in der ganzen Welt, dann kommt es mir so dumm und klein vor, das Leben, das ich führen soll, in dem es immer heißt: Du sollst, du sollst nicht. Du darfst, du darfst nicht. Und ich möchte dem allen davonlaufen.

Aber ich weiß, das sind Träume. Deine Hand ist stärker. eine Hand hält mich fest in meiner Schule oder in meiner Arbeit der in Deinem Hause, und auf alle Fälle dort, wo meine kleinen Aufgaben sind. Es ist gut, Herr, dass du mich festhältst.

Manchmal denke ich: Jetzt sieht mich niemand. Kein Mensch sieht mich und auch du, Herr, bist nicht dabei. Wenn es dunkel ist oder wenn die Vorhänge an meinem Fenster zugezogen sind.

Und doch weiß ich, wie dumm es ist, zu meinen, dass du, Gott das Tageslicht brauchst oder eine Lampe, um mich zu sehen, als ob du Augen hättest wie ein Mensch.

Aber es ist gut, Herr, dass du mich siehst. Wie sollte ich leben können, wenn du nicht auf mich acht hättest, wenn du mit deinen großen Händen und mit deiner Liebe nicht immer und überall um mich her wärest?

Wenn ich mich selbst betrachte und meine Hand ansehe oder im Spiegel mein Gesicht oder meine Gestalt, dann weiß ich: Das alles hast du gemacht. Es ist gut, das zu wissen.

Ich weiß nichts davon, was mit mir geschehen ist, als ich klein war, als ich noch nicht gehen und noch nicht sprechen konnte. Ich weiß auch nicht, wie es zuging, dass ich im Leib meiner Mutter wuchs. Auch das hast du getan. Aus deinen guten und großen Gedanken bin ich entstanden. Gib mir Ehrfurcht in mein Herz und in meine Gedanken. Ehrfurcht vor dem Leibe, in dem meine Mutter mich getragen hat, und Ehrfurcht vor deinen geheimnisvollen Gedanken. Denn ich möchte dir danken für alles, was du mir gegeben hast, für meinen Leib, für Geist und Seele, für meine Geschicklichkeit und meine gesunde Kraft.

Ich möchte dir für vieles andere mehr danken. Ich danke dir, dass du meinen Weg bestimmt hast und nicht der Zufall, nicht die Sterne, die die Leute um mich her befragen, auch nicht die fremde Macht, die wir das Schicksal nennen. Ich danke dir für jeden Tag, den ich erlebe, denn er kommt aus deiner guten Hand. Ich bitte dich, mein Gott, hilf mir, dass ich mich nicht beklage, weil ich nicht so begabt, nicht so schön oder nicht so gesund bin wie andere. Lass mich dankbar sein, dass du mich so gemacht hast, wie ich bin, lass mich dankbar sein und dich preisen.

Psalm 139 einmal anders